Aktionstag in Schweinfurt
Kampf für Industriearbeitsplätze

5000 Metallerinnen und Metaller stellen sich gegen den Abbau von Industriearbeitsplätzen in Schweinfurt. Die IG Metall hatte zum Aktionstag „SOS Kugellagerstadt“ gerufen. Doch nicht nur in Unterfranken ist die Situation kritisch, bundesweit investieren Betriebe zu wenig in die Zukunft.

19. April 202419. 4. 2024


„Wir treten der drohenden Deindustrialisierung in unserer Region offensiv entgegen“, ruft der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Schweinfurt Thomas Höhn ins Mikrofon und schiebt nach: „Jetzt sind Unternehmen und Politik gefordert, damit hier auch in Zukunft Industriearbeit angesiedelt wird.“ 5000 Metallerinnen und Metaller stimmten lautstark zu. Sie kamen im Sternmarsch von Betrieben wie ZF, SKF, Bosch Rexroth, Schaeffler und Valeo auf den Schweinfurter Marktplatz, um für ihre Arbeitsplätzte und die Region zu kämpfen. Auf ihren Transparenten steht „Gemeinsam für unsere Zukunft“ oder „Letzte Chance“. Ihre IG Metall-Fahnen, -Schals, -Jacken und -Caps verwandeln den Platz vor dem Rathaus in ein rotes Meer. In ein rotes tobendes Meer, als Thomas Höhn auf dem Podium klar macht, worum es geht: „Die Unternehmen sind hier in Schweinfurt groß geworden und haben deshalb auch eine moralische Verantwortung für den Standort. Moral ist zwar keine betriebswirtschaftliche Größe, aber es darf nicht nur um Margenoptimierung gehen.“

 

Eine Region – mehrere kriselnde Betriebe

Die Region Schweinfurt hat das Glück, dass hier gleich mehrere Industriebetriebe angesiedelt sind und mit ihren Arbeitsplätzen für Wohlstand sorgen. Die Zahlen zeigen, welchen Stellenwert die Industrie hier hat: Laut amtlicher Statistik waren 2020 in der Stadt insgesamt 52.891 Personen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, davon allein 26.576 im produzierenden Gewerbe.

Doch die Beschäftigten von gleich mehreren Betrieben müssen sich Sorgen um die Zukunft machen. Ein paar Beispiele: Die Geschäftsleitung von ZF hat den Sparkurs ausgerufen: Am Standort Schweinfurt könnte das nach Einschätzung von Betriebsrat und IG Metall zu einem tröpfchenweisen Abbau von insgesamt mehr als 2000 Arbeitsplätzen kommen. SKF hat in den vergangenen 18 Monaten bereits 500 Arbeitsplätze sozialverträglich abgebaut. In den kommenden zwei Jahren könnten es 400 weitere Stellen werden, die dem Betrieb und der Region verlorengehen. Die Werksleitung von Bosch Rexroth teilte den Beschäftigten gerade mit, dass 240 Stellen bis Ende 2028 sozialverträglich abgebaut werden sollen. Und Schaeffler startet in Schweinfurt jetzt ein Freiwilligenprogramm, mit dem 50 Personen aus dem indirekten produktionsnahen Bereich ausscheiden sollen.

Besonders hart getroffen hat es die Kolleginnen und Kollegen vom Automobilzulieferer Valeo, rund 40 Kilometer nördlich von Schweinfurt in Bad Neustadt an der Saale: Bis Ende Juni 2024 werden 310 der 510 Valeo-Beschäftigten im Elektromotorenwerk ihren Job verlieren. Die Produktion wird nach Polen verlagert. Der Anfang Februar beschlossene Interessenausgleich sieht zudem die Stilllegung des Musterbaus sowie weiterer Bereiche vor.
 

Industriearbeitsplätze sind im ganzen Land in Gefahr

Falsche Sparprogramme und zu geringe Investitionen bedrohen nicht nur in Schweinfurt Arbeitsplätze. Rund die Hälfte der Unternehmen in Deutschland investieren zu wenig. Das ist das Ergebnis einer Umfrage der IG Metall unter Betriebsräten von knapp 2600 Firmen. Statt die gegenwärtigen Herausforderungen aktiv anzugehen, stellen Unternehmen zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen vermehrt Standorte und Beschäftigung infrage. 31 Prozent der befragten Betriebsräte sehen ein „hohes“ oder „eher hohes“ Verlagerungsrisiko von Beschäftigung ins Ausland. Im Fahrzeugbau schätzen sogar 59 Prozent das Risiko als „hoch“ oder „eher hoch“ ein.

Christiane Benner, Erste Vorsitzende der IG Metall, kritisiert das scharf: „Investieren im Inland, muss das Gebot der Stunde lauten. Die Beschäftigten brauchen Sicherheit und Perspektiven“, betont sie. Aber auch die Politik nimmt die Erste Vorsitzende der IG Metall in die Pflicht: „Die Politik muss sich klar zum Industriestandort bekennen. Die Regierung muss jetzt die richtigen Weichen stellen, um Deindustrialisierung zu vermeiden. Statt Schuldenbremse und Sparpaketen brauchen wir eine aktive Industriepolitik mit ambitionierten öffentlichen Investitionen, auch in Infrastruktur und Bildung“, so Benner.


Politik und Unternehmen in der Pflicht

Die Metallerinnen und Metaller aus Schweinfurt wollen, dass die Industriearbeit in ihrer Region erhalten bleibt, denn sie sorgt für Wohlstand und Attraktivität des gesamten Gebiets Schweinfurt-Main-Rhön. „Um die Zukunft der Region zu sichern, braucht es jetzt einen engen Schulterschluss zwischen Beschäftigten, Unternehmen und Politik“, betont Thomas Höhn auf dem Aktionstag. Deshalb fordern die Metallerinnen und Metaller in Schweinfurt die Politik und Unternehmen auf, ihrer Verantwortung für die Region nachzukommen. Konkret heißt das:

Von den Unternehmen fordert die IG Metall:

  • Investitionen und Produktinnovationen
  • Klares Bekenntnis zu den Standorten, statt Verlagerungen in Niedriglohnländer
  • Den industriellen Wandel im Schulterschluss mit den Beschäftigten zu gestalten
  • Verantwortung zu übernehmen


Von der Politik fordert die IG Metall:

  • Massive Investitionen, statt Sparkurs
  • Faire und verlässliche Energiepreise
  • Gezielter Einsatz von Fördermitteln für industrielle Zukunftsfelder
  • Mehr Einsatz für gute Arbeit und ökologische Nachhaltigkeit
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